Kaeser und die Aktien

Die Tage lief im ARD-Magazin Panorama ein Beitrag mit dem Titel ‚Siemens: Gewinne rauf, Mitarbeiter raus‚.Untertitel: ‚Siemens fährt Rekordgewinne ein. Und dennoch fürchten Arbeiter hierzulande um ihre Jobs. Steht der Gewinn über der sozialen Verantwortung?‚ Soweit so gut.

Hab den kompletten Beitrag selber nicht gesehen, bin aber dann ein par Tage später auf einen in facebook geteilten Ausschnitt der Sendung gestoßen, weil das eine facebook-Freunding geteilt hatte. Dieser Ausschnitt (ab 05:25) geht so:

Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender Siemens AG: „Und diese Geschichte, dass die Reichen noch reicher werden und alles schrecklich … Das kann sein, Das passiert im Wesentlichen deshalb, weil viele Arbeitnehmer nicht der Vermögensbildung durch Aktien teilnehmen.“

Anschießend wird dann noch ein Mensch mit einer IG-Metall-Mütze eingespielt …

Blöd nur, wenn man es sich nicht leisten kann. Der ist doch völlig realitätsfremd anscheinend. Der lebt in seinem Palast da, hat seinen Lohn von über 6 Millionen jedes Jahr. Da kann ich auch so reden. Da kann ich mir auch jedes Jahr Aktien kaufen. Ohne Ende.

Damit lässt sich ja recht gut Stimmung machen. Hatte das auch entsprechend unter dem weitergeleiteten Beitrag meiner Bekannten kommentiert. Ich weiß, man soll sich auf facebook nicht auf Diskussionen einlassen.

Ich: Kaeser hat doch Recht. Viele Leute könnten sich Aktien kaufen, tun es aber nicht.
Die Aktionärsquote in Deutschland ist lächerlich gering. Doch nicht, weil es den Leuten schlecht geht, sondern weil sie sich mit dem Thema nicht beschäftigen. Aktiensparen geht auch mit kleinen Beträgen. Aber so einen Satz eines ‚bösen Reichen‘ aus dem Zusammenhang zu reissen und sich darüber aufzuregen, ist natürlich einfach(er).

facebook-Freundin (FBF): Das ist wie mit dem Brot und dem Kuchen. Natürlich kann man Kuchen essen, wenn es kein Brot gibt. Aber man wird von der Menge Kuchen, die man sich als armer Mensch leisten kann, nicht satt.
Das gleiche gilt für Aktien. Das Problem, dass so viele Leute immer ärmer werden, kommt nicht daher, dass wir keine Aktien kaufen, sondern, dass wir keine fairen Löhne gezahlt bekommen für die Arbeit mit der wir die Hälfte unseres Lebens verbringen.
Abgesehen, davon, dass man das Problem der Armut nicht dadurch lösen kann, dass alle Armen anfangen, Aktien zu kaufen.

Ich: In dem Filmausschnitt ging es nicht um das Problem der Armut. Es ging um Reiche. Und es ging um Arbeitnehmer, die keine Aktien kaufen. Der Gewerkschafter am Ende sieht so aus, als könne er durchaus etwas auf die Seite legen.

Daraufhin schaltet sich eine weitere Person in die Diskussion (mit einem Blick auf sein Profil, ebenfalls einer aus dem linken Spektrum)

Linker Typ (LT): Die Dividenden basieren in ihrem Wesen auf der betrieblichen Transformation, die die Beschäftigten und Maschinen im Betrieb leisten und die dann verkauft wird. Die Gewinne aus dem Verkauf (von Waren und Dienstleistungen) können als Dividenden ausgeschüttet werden. Die Gewinne aus Kursentwicklungen basieren in ihrem Wesen auf Spekulation.
Wenn nun alle in Aktien investieren ist beides hoch problematisch.
1.) Am Ende der Kette erhalten dann alle sowieso nur die Dividende, die sie selber erzeugt haben bzw. selber konsumiert haben. Das ist so, wie wenn der Wirt in seiner eigenen Kneipe der beste Kunde ist. Genau so gut kannst du jetzt deutsche Staatsanleihen kaufen. Dann bezahlst du mit DEINEN Steuern die Zinsen auf DEINE Anlage.
2.) Die Spekulation würde noch mehr ausufern. Sie ist auch jetzt schon problematisch, weil die Rendite Erwartungen an den Finanzmärkten in vielen Teilen losgelöst ist von der Realwirtschaft. Wo soll denn dieses Wachstum, dass dann verlangt werden würde herkommen?
Außerdem gibt es eben auch nur eine begrenzte Anzahl an Aktien. Da würden über Nacht Mondpreise aufgerufen werden.
Das Käser will, dass Aktien gekauft werden, ist ja nun aber logisch. Siemens ist aktiennotiert. Wenn sein Kurs steigt, wird die Beschaffung von Kapital günstiger. Durchsichtig und plump.

Ich: Meinetwegen. Aber muss es bei Euch Linken gleich immer ideologisch werden? Es ist doch erwiesen, dass die Leute, die in Aktien investieren, mehr ‚auf der hohen Kante‘ haben, also die, die das nicht getan haben. Darum ging es Kaesers Statement. Und um nix anderes. Kaeser hat übrigens nicht „Kauft Siemens-Aktien“ gesagt.

LT: Ich hab noch gar nicht mit Ideologie angefangen 🙂
Das war bis dato nur eine Analyse des Vorschlägs von Kaeser auf Grundlage des status quo. Also selbst wenn man Kapitalismus ganz toll findet, ist der Vorschlag immer noch Käse.
Dass ich das ganze aus noch viel grundsätzlicheren Gründen kritisch sehe, kommt oben als Sahne drauf. Aber nicht heute Abend 😉
Aber am Bitcoin kann man momentan sehr genau beobachten, was passiert, wenn viele gleichzeitig versuchen, ohne Arbeit eine Rendite abzugreifen. Gut, Bitcoins sind keine Aktien, sondern eine Währungsspekulation, aber die Mechanismen sind ganz ähnlich.

Also komplett an der Aussage von Kaeser vorbei. Egal. Ausbeuter. Kapitalismus. Klassenkampf. Hab mich dann aus der Diskussion ausgeblendet. Wäre wohl endlos geworden.

Heute wurde mir dann noch ein Tweet von Janine Wissler, (Landtagsabgeordnete DIE LINKE Hessen Fraktionsvorsitzende, stv. Parteivorsitzende) in meine Timeline gespült.

Siemens-Chef Kaeser, 6 Mio. Jahresgehalt, will 7000 Stellen abbauen, gibt Tipps gegen Armut: Wer kein Geld hat, soll Aktien erwerben. Klar, und wenn die Miete zu hoch ist, kauft man ein Haus. Wer kein Brot hat, soll Kuchen essen. Dass die Armen darauf nicht selber gekommen sind.

Wenn man sich die Antworten auf diesen Tweet anguckt, ist das auch eher erschreckend. Alle die gleiche Meinung. Ausbeuter. Kapitalismus. Klassenkampf.

Warum müssen Linke immer gleich so n ideologisches Fass aufmachen? Und dieser Populismus. Mir kommt grade etwas Kotze hoch …

Nachtrag 20.2.2018:

Also es ging dann – wie befürchtet – noch etwas weiter. Es hat sich noch ein – eher linksorientiertes – Mädchen zu Wort gemeldet …

Linksorientiertes Mädchen (LoM): Schon ein bisschen ironisch, wenn man sagt, dass sich Leute zu wenig damit beschäftigen und dann erklärt einer, wie es im Detail funktioniert und das wird dann als „Idealismus der Linken“ bezeichnet. Ich nenne das zu hoch gepokert. Da kennt sich wohl einer selbst nicht aus und muss schnell vom Thema ablenken…

Ich: Häh? Es ging darum, dass Leute ihr Geld in Aktien anlegen anstatt es für 0,1% auf die Bank bringen. Und in Deutschland sind es eben recht wenige, die in Aktien investieren. Warum auch immer.
Versteh jetzt nicht, was das mit Ablenken zu tun hat …? Und von Idealismus hat hier auch niemand was geschrieben.
Vieleicht im falschen Thread gelandet?

LoM: Ok, ich korrigiere mich. „Ideologie der Linken“ war das Zitat. My bad. So oder so erstmal eine unbegründete Pauschalisierung und ein Versuch, LTs Ausführungen auf ein falsches Terrain runterzubrechen. Deine Frage nach dem „warum auch immer“ kann man sich sicherlich leicht beantworten. Das hängt wohl damit zusammen, dass Investitionen in Aktien ein wenig Know-how erfordern (und die Zeit bzw. das Bildungniveau haben manche nunmal leider nicht). Zum anderen braucht man erstmal Geld, das ÜBRIG ist, um zu investieren. Damit ist schon ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung außen vor. Daher werden eben die Reichen reicher. Die können sich entsprechende Finanzberater leisten und haben einen Grundstock, den sie dem Risiko eines Aktienkaufs aussetzen können, weil ein Verlustgeschäft sie im Zweifelsfall nicht in die Knie zwingt. Das Problem ist nicht unbedingt, dass die Reichen reicher werden, sondern Bedingungen vorliegen, die Armut ermöglichen und vergrößern, sodass die Betroffenen gar nicht erst in die Position kommen, nur annähernd vermögend zu werden. Für diese Leute dürfte eine solche Aussage von Herrn Kaeser zu Recht wie ein Hohn klingen.

Ich: Ja, das ist schon ein wenig vernünftiger – und nicht mehr so pauschal – geschrieben.
Also man muss sich nicht einen Finanzberater leisten können.
Jede Bank verkauft beispielsweise auch (Investment)Fonds, die man sich auch mit kleinem Geld leisten kann.
Mir ist klar, dass es auch Menschen gibt, die nicht sparen können, weil eben nix da ist oder übrig ist.
Allerdings gibt es auch genügend Leute, die sparen können (auch in Aktien oder Fonds), dies aber nicht tun. Aktien sind nicht nur für Reiche. Und darum ging es mir.
Und es ist ja nicht so, dass Aktien oder Fonds Teufelszeug oder nur Spielbank sind – was viele Leute allerdings so sehen. Klar gibt es auch solche Sachen, aber es gibt auch genügend Papiere, die eher langweilig erscheinen, aber auf lange Sicht doch zum Vermögensaufbau beitragen.
(Das war jetzt auch mein letzte Kommentar in dieser Reihe. Egal, ob jetzt noch eine Gegenrede kommt.)

 

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